Audi R8 Spyder V10 PerformanceMehr geht nicht

Joachim Fischer

 · 13.12.2023

Audi R8 Spyder V10 Performance: Mehr geht nichtFoto: Jan Bürgermeister
Der R8 Spyder V10 Performance ist Audis Spitzensportler. Seine 620 PS und 560 Newtonmeter, erzeugt von einem 5,2-Liter-Zehnzylinder ohne künstliche Beatmung, sind aber nur ein Teil des Gesamtkunstwerks aus Emotionen und Fahrdynamik
Bild 1
Foto: Jan Bürgermeister

Das ist der Stoff, aus dem Traumautos noch immer gewebt sind. Man merkt es an jeder Ecke, wenn man im Audi R8 Spyder V10 Performance unterwegs ist. Da werden Hälse bis zur Schmerzgrenze verdreht, bewundernde Blicke gleiten – manchmal auch nur verstohlen – über die Karosse­rie. Daumen recken sich nach oben, anerken­nendes Nicken wechselt sich mit der Auffor­derung ab: „Gib‘ mal Gas“! Und es sind vorwiegend nicht die älteren, bekanntlich Autobegeister­ten, die da Beifall oder Respekt zollen, gerade auch die Jungen, denen man gerne nachsagt, dass sie an Autos kein Interesse mehr hätten. Es kommt anscheinend auf das Auto an.

Sicher, ein R8 ist ein Ausnahme-Athlet, einer, den man nicht täglich sieht, den sich nur die Wenigsten je leisten können. Doch er ist ein Leuchtturm für seine Marke, ein Statement des technologisch Machbaren, ein Beispiel für höch-ste Ingenieurskunst – kurz das, was die Produkte der Deutschen Automobilindustrie weltweit berühmt und so begehrt gemacht hat. Kleinere Modelle sonnen und verkaufen sich im Glanz der Superstars – und profitieren oft von deren Technik, die sich zuerst im Hochpreissegment etabliert, um sich dann ihren Weg durch die günstigeren Modellreihen zu bahnen. Das alles ist keine Folklore und keine Märchenstunde, es ist gelebte Realität. Und deshalb sind Überflieger wie der Audi R8 Spyder V10 Performance wichtig und haben auch in Zeiten größtmöglicher Verbrauchs- und CO2-Reduktion eine Daseinsberechtigung.

Bewertung

Nehmen wir unseren Supercar genauer unter die Lupe. Das Herz des rundum aluminiumbeplankten R8, sein fulminanter Zehnzylinder-V-Motor, liegt zwei Handbreit hinter den zwei Sitzen im Verborgenen, aufgehängt im Alu-Spaceframe-Rahmen. Wo beim Coupé der Benziner mit 5,2 Liter Hubraum von außen für jeden sichtbar unter einer Glaskuppel thront, trägt der Spyder dort einen großen Verdeckkastendeckel mit reptilienartig gerippten Elementen sowie Carbon, das bei der Performance-Version des offenen R8 bereits serienmäßig üppig an und im Fahrzeug verteilt ist.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Möchte man das verstärkte, vollständig elek-trisch-hydraulisch betätigte Stoffverdeck mit den zwei wunderbaren Finnen öffnen oder schließen, startet eine elegante Choreographie. Beteiligte sind: der beachtlich große Heckdeckel, das Verdeck selbst, die Seitenscheiben sowie die einzeln ansteuerbare, senkrecht stehende Heckscheibe. Was das soll, mag sich mancher fragen. Ganz einfach, Audi lässt dem Spyder-Piloten die Wahl: Fahren mit offenem Verdeck und stehender oder versenkter Heckscheibe (optisch die perfekte Lösung), mit wahlweise eingeclipstem Extra-Windschott direkt hinter den Kopfstützen, oder mit geschlossenem Verdeck und versenkter Heckscheibe – etwa bei leichtem Regen. Warum? Man kann dem wunderbaren Ansauggeräusch des Zehnenders auch bei überge­zogener Mütze ungefiltert lauschen.

Und das ist wichtig, denn Audi ist als einer der letzten Automobilhersteller überhaupt beim R8 noch ganz klassisch unterwegs: Der V10 wird nicht zwangsbeatmet – kein Turbolader, kein Kompressor und auch keine Kombi­nation aus beiden finden sich im Abgastrakt. Der Direkteinspritzer atmet über jeweils 20 Ein- und Auslassventile, gesteuert von vier voll-verstell­baren Nockenwellen. Dazu kommen die motorsporterprobte Trockensumpfschmierung sowie diverse Kats und Otto-Partikel-Filter.

High-Tech-Dino: Frei saugender V10

Im Fall der Performance-Version leistet das Kraftpaket 620 PS bei 6.000 Kurbelwellenumdrehungen, dazu 580 Nm maximales Drehmoment bei 6.600/min – 50 PS und 20 Nm mehr als die Basisversion. Braucht man die zusätzlich? Sicher nicht, aber Spaß machen sie trotz­dem – und bei dem ohnehin exorbitanten Einstands­preis ist es doch eh egal...

Den Kraftschluss zum Quattro-Allradantrieb mit seiner elektronisch gesteuerten Lamellenkupplung an der Vorderachse und dem mechanischen Sperrdifferential hinten stellt eine bewährte Siebengang-Doppelkupplungs-S-Tronic her. Alles nur vom Feinsten und natürlich vollgasfest!

Das checken wir natürlich als erstes auf unserer ab­gesperrten Messstrecke: Die Serien-Fahrprofilauswahl Drive Select auf den Race-Modus, Getriebe auf Sport, ESC aus – die automatische Startkon­trolle Launch Control ist jetzt aktiviert. Linken Fuß auf die Bremse, rechten aufs Gas. Der V10 brüllt auf, hält die Startdrehzahl bei 5.000/min, meckert lautstark wie ein Formel-1 in der Boxengasse nach mehr. Fuß von der Bremse! Die extrabreiten 20-Zöller fräsen sich in den Asphalt, tanzen an der Schlupfgrenze und katapultieren den R8 Spyder nach vorne. Bang-Bang-Bang, die S-Tronic feuert ohne die geringste Schubunterbrechung ein paar Gangstufen ab. Nach 3,3 Sekunden durchbricht der Performance-Spyder die 100-km/h-Marke, nach 10,7 Sekunden nimmt er die 200er-Hürde. Dann müssen wir abbre­chen, denn inklusive Bremszone geht uns für den 300er-Wert stets die Messgerade aus – und da wartet eine Brombeerhecke! Deshalb checken wir die Höchstgeschwindigkeit auf einem freien, dreispurig ausgebauten Auto­bahnstück. Wir notieren: geschlossen 330 km Spitze, offen 322 km/h. Ob das noch Spaß macht? Klar, aber nicht lange! Und die Frisur sollte man schon vorher abschreiben. Am besten einen Kamm im Handschuhfach deponieren.

„Zählen Sie mal“

Urgewaltig fühlt sich auch der Sprint von 80 auf 120 km/h an: 1,8 Sekunden vergehen. Zur Verdeutlichung: „Zählen Sie mal!“ Während Sie diese drei Worte aussprechen, vergeht in etwa die gleiche Zeitspanne, in der der R8 Spyder Performance die Beschleunigung um 40 km/h erledigt.

Soweit erst einmal die messbaren Fakten. Doch da gibt es noch viel mehr: Emotionen. Nehmen wir einfach die betörende Form – wie ein auf der Straße kauerndes Raubtier lauert der R8 vor einem. Man öffnet die lange, extrem dicke Tür, schwingt das Bein über den extrabreiten Schweller und lässt sich mehr oder minder elegant hinabgleiten in die tief montierten, optionalen, vollelektrischen R8-Feinnap­pa-Sportsitze mit pneumatisch verstellbaren Wangen. Tür schließen, alles einstellen: Spiegel, Sitz Lenkrad. Dann kommt der Moment.

Am Serien-Per­formance-Lenkrad wird der rote Startknopf gedrückt. Der V10 brüllt heiser auf – als sei man einem schlafenden Tiger auf den Schwanz getreten. Stellmotoren, Lüfter, Ventile nehmen ihre Arbeit auf, das Standgas ringt um Konstanz, pendelt sich langsam ein. Eine Sinfonie der Mechanik. Allein dieses akustische Spektakel sollte als Download erhältlich sein. An der Tankstelle sorgt es regelmäßig für Aufsehen, Zugaben werden gefordert.

Konzert für Ansaugtrakt und 2 Posaunen

Und dann erst unterwegs. Der V10 beherrscht alle Tonlagen: Knurren, Säuseln, Brüllen, Grollen und auch hemmungsloses Kreischen bei aberwitzigen 8.700 Touren, kurz vor dem Schaltblitz. Dazu mischt sich das unwiderstehliche Ansauggeräusch der zehn Töpfe mit jeweils einem guten halben Liter Volumen. Jede noch so kleine Gaspedalbewegung wird bissig in Vortrieb und Sound umgewandelt. Die Nackenhaare stellen sich auf, die Mundwinkel sind nur noch Zentimeter von den Ohren entfernt. Unglaublich. Man hatte schon fast vergessen, wie sich das anfühlen – und vor allem anhören kann. Danke, Audi, für diesen automobilen Jurassic Park.

Doch der R8 kann auch anders. In Fahrstufe D und im Komfort-Modus des Magnetic-Ride-Fahrwerks (1.754 Euro extra) wird das Raubtier plötzlich handzahm. Die S-Tronic schaltet früh drehzahlsenkend hoch, der V10 grummelt, aber grölt nicht. Das Cylin­der on Demand-System schaltet jetzt zuweilen sogar unmerklich eine ganze Bank ab, um Sprit zu sparen. Jetzt kann man mit dem R8 Spyder auch locker ins Büro rollen oder eine Langstrecke in Angriff nehmen. Kein Problem. Und man kann natürlich wunderbar offen Cruisen, sich den Wind um die Nase wehen lassen.

Doch gemacht ist der offene Supersportler für die Spritztour am Wochenende, gerne auch zu einer Rennstrecke für ein paar schnelle Runden. Dann ist auch die 19-Zoll-Keramik-Bremsanlage für hier bescheidene 487 Euro perfekt angelegt, zeigt sie sich doch noch bissiger und vor allem standfester als die Serien-Anlage.

In jedem Fall eine lohnenswerte Investition ist die Dynamiklenkung für 1.365 Euro. Sie reduziert geschwindigkeitsabhängig die Lenkwinkel, macht den R8 noch handlicher, präziser. Dazu liefert sie zuverlässig Rückmeldung über den Fahrbahnzustand – gerade auf kurvigen Land- und Bergstraßen ist das eine wahre Wonne, man zirkelt spielerisch um die Ecken, muss eigentlich nur die doch immense Breite des R8 Spyder von 2,04 Meter (inclusive Spiegel) beständig im Auge behalten.

Die Grenzen der Fahrdynamik sollte man indes nur auf dem Racetrack ausloten. Die möglichen Querbeschleunigungen sind ungeheuer, die Traktion insbesondere beim Herausbeschleunigen aus Kurven durch den Allradantrieb sagenhaft. Ausgelegt ist der R8 Spyder Performance sehr neutral, das Heck lässt sich zwar gezielt zu leichten Schwenks überreden. Wer hier mehr will, sollte jedoch den heckgetrie­benen R8 V10 Spyder RWD antesten.

Und der Verbrauch? Angemessen! Im Testschnitt benötigten wir 15,3 Liter Super Plus pro 100 Kilo­me­ter. Wer nur herumrollt, kann mit etwa 11,5 Litern auskommen – sitzt aber vermutlich im falschen Auto. Wer es fliegen lässt, kommt auch mal auf 22,5 Liter pro 100 Kilometer. Solche Werte kennen aber durchaus auch Fahrer von potenten Limousinen mit modernsten Biturbo-Sechszylindern. Denn ordentlich getreten, sind auch die Downsizing-Turbos keine Kostverächter. Ihren Vorteil des kleinen Hubraums können sie nur in der Stadt und bei niedrigen Drehzahlen ausspielen.

Hier wird noch selbst gefahren

In Sachen Elektronik beschränkt sich der R8 Spyder Performance auf das heute Unverzichtbare. Das Virtual Cockpit ist Serie, ebenso die MMI-Navigation Plus. Connect Navi und Infotainment kosten 487 Euro. Man kann sein Smartphone serienmäßig einbinden. Wer mehr möchte, bestellt die Phone Box für 478 Euro.

Assistenten gibt es auch: Einen klassischen Tempomat und die Einparkhilfe Plus in Serie – oder mit Kamera für 604 Euro. Das war‘s. Und das ist gut so! Hier wird gefälligst noch selbst gefahren. Der R8 V10 Spyder Performance für 210.067 Euro ist eben keine Daddel-Kiste mit Rollfunktion. Hier zählt nicht die neueste App, sondern das individuelle Fahrerlebnis. Und das treibt einem buchstäblich die Freudentränen in die Augen.


Test kompakt

Der Audi R8 V10 Spyder Performance ist ein Automobil, das wirklich alle Sinne gleichermaßen anspricht. Gebettet in einen aufregend designten, zweisitzigen Mittelmotor-Roadster erlebt man atemberaubende Fahrleistungen und einen wahrlich symphonischen V10-Sound. Die digitale Welt bleibt bis auf das heute Nötigste außen vor. Was wirklich zählt, ist das Fahr­erlebnis – und das ist schlicht unvergesslich!